Grüße an Wolkenkuckucksheim

06. März 2020

Vereinsbeauftragter und Mehrwegkonzept bringen den Haßfurtern mehr als Visionen vom Altstadtring

Haßfurt „Das erinnert mich schon deutlich an Wolkenkuckucksheim!“ Wenn Stephan Schneider über die Pläne nachdenkt, die Volker Ortloff, sein Mitbewerber aus der CSU für das Bürgermeisteramt, in der vergangenen Woche im Haßfurter Tagblatt präsentiert hat, dann kann der SPD-Kandidat für den Posten des Stadtoberhaupt nur den Kopf schütteln. „Jeder einzelne Punkt geht völlig an der Realität und auch an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbei.“

Altstadtring, Parkhaus, neues Wohnquartier im Hafen und Co sind für Stephan Schneider keinesfalls Visionen für ein besseres Leben oder gar ein „Modell 2030“, sondern „Pläne, die wenig durchdacht sind und in eine völlig falsche Richtung zielen“. Mit den Ideen werde kein „frischer Wind“, den sich der CSU-Kandidat gerne auf die Fahnen schreibt, produziert, sondern bestenfalls „heiße Luft“.

„Ich frage mich, wo die historische Chance liegt, von der die drei CSUler reden“, sagt Stephan Schneider. Die vorgeschlagene Verkehrsführung sei wenig durchdacht. „Wie die Zu- und Abfahrt zum Marktplatz funktionieren soll, wird gar nicht erwähnt. Der vorgeschlagene Kreisel in der Brückenstraße hat keinen Sinn.“ Ganz abgesehen davon, dass die Stadt Haßfurt die Einbahnregelung gar nicht festlegen kann, da auch Staatsstraßen betroffen wären.

Der Gedanke, dass im Hafen ein Wohnquartier für 800 Menschen und gehobene Ansprüche entstehen soll, lässt den SPD-Kandidaten ein wenig schmunzeln. „Wohnen in Nachbarschaft von Power to Gas und Malzfabrik mit Blick auf den ,Welthafen‘ Haßfurt. Ich sehe die Immobilienpreise in Haßfurt schon in die Höhe schießen.“ Dort verbrauchtes Geld sei wesentlich besser im sozialen Wohnungsbau aufgehoben. „Das ist ein Bereich, an dem wir als Stadt ranmüssen. Wir brauchen ein Programm für Wohnraum, den man sich auch leisten kann.“

Blieben ein vierstöckiges Parkhaus am Bahnhof („Hat man sich da mal beim Umwelt- oder Denkmalschutz erkundigt, ob das überhaupt geht.“) oder eine Fußgängerbrücke über die Bundesstraße für die Berufsschüler. „Wahnsinn, was das kosten würde!“ Geld, das, davon ist Stephan Schneider überzeugt, an anderen Orten und in anderen Bereichen sehr viel besser angelegt werden kann. „Ich möchte auch, dass Haßfurt Vorreiter wird, aber da, wo es Sinn macht und den Bürgern hilft.“

Als Beispiel nennt der SPD-Kandidat, die von ihm vorgeschlagene Einführung eines einheitlichen Mehrwegsystems. „Wir wollen Vorreiter in Sachen Müllvermeidung werden.“ Bei dem in der Schweiz entwickelten Konzept, für das die Stadt eine Anschubfinanzierung leisten würde, könnte man sich in Metzgerei A ein Essen kaufen und dabei gegen Pfand ein Mehrweggeschirr mitnehmen, das später in Gaststätte B wieder abgegeben wird.

Ebenfalls am Herzen liegt Stephan Schneider die Förderung und Unterstützung der vielen Vereine im Stadtgebiet. „Dort wird von Ehrenamtlichen tolle Arbeit geleistet.“ Die Vereine seien das Lebenselixier in den Dörfern. „Sie bringen und halten Leben in den Dörfern.“ Immer öfter seien aber die Verantwortlichen überfordert und es gestalte sich schwer Personen zu finden, die bereit sind, sich in vorderster Linie ehrenamtlich zu engagieren.

Ein Punkt, an dem ein städtischer Vereinsbeauftragter helfen könnte. „Wir müssen die Vereine an die Hand nehmen und ihnen Unterstützung bieten“, führt Marco Heumann. Der Stadtratskandidat könnte sich eine Ehrenamts- oder Vereinsbörse auf der Homepage der Stadt vorstellen. Eine Art „Gesucht – gefunden“. „Vereine könnten sich bei Festen über die Plattform gegenseitig unterstützen oder gar Sachen gemeinsam anschaffen.“ Auch von der Stadt zur Verfügung gestellte Hardware, wie eine Bühne oder ein Spülmobil seien denkbar.

Genau wie eine „Begleitung im Ehrenamt, zum Beispiel bei den immer umfangreicheren Aufgaben, die ein Kassier hat“, berichtet Stephan Schneider. „Wir brauchen eine Stelle, an die sich Vereine mit ihren Fragen wenden können.“ Die sei weit wichtiger als ein vierstöckiges Parkhaus oder eine Einbahnregelung für die Innenstadt.

„Es ist alles andere als ein in die Zukunft gerichtetes Konzept, wenn möglichst viele Autos in die Stadt kommen sollen und man für die mehr Parkraum schaffen muss“, macht auch Caroline Petersen, Stadtratskandidatin der SPD, unmissverständlich klar, was sie vom „Altstadtring“ hält. Ziel müsse es viel mehr sein, die Menschen in die Stadt zu bringen und dabei die Autos mehr und mehr zu verdrängen. „Wir brauchen richtungsweisende Ideen für den ÖPNV“, fordert sie und nennt bessere Busverbindungen in die Stadtteile oder gar einen Bürgerbus als Beispiel. „Dafür lohnt es sich zu investieren. Aber nicht für eine Brücke über die Bundesstraße oder eine Straße auf Stelzen!“

Erst denken, dann präsentieren – das hätte sich nicht nur Stephan Schneider von seinem Mitbewerber gewünscht. „Ich habe auch das Gefühl, dass er mit seinen Visionen nicht wirklich Rückhalt in seiner Partei hat.“ Schließlich habe es bisher weder vom zweiten Bürgermeister noch vom Fraktions- oder einem der Ortsvereinsvorsitzenden Unterstützung in Sachen „Altstadtring“ gegeben. Warum auch? „Vieles war im Stadtrat schon besprochen oder angedacht worden, hatte sich aber als nur schwer bis gar nicht umsetzbar erwiesen.“

In diese Kategorie fällt wohl auch die Vision einer gehobenen Gastronomie im alten Rathaus auf dem Marktplatz, für die das Bürgerbüro ins geplante Kunsthaus direkt gegenüber ziehen müsste. Für Stephan Schneider nicht nur ein weiteres echtes Wolkenkuckucksheim („Und wer bezahlt dann den Umbau von Kunsthaus und Alten Rathaus? Die Stadt?), sondern auch ein Affront gegen die Haßfurter Gaststätten- und Kneipenbetreiber. „Sie leisten tolle Arbeit und tun sehr viel für die Stadt. Dafür muss man einfach einmal Danke sagen!“

Für die Visionen von Volker Ortloff eher nicht. „Das ist keine Politik für die Bürgerinnen und Bürger, sondern an ihnen vorbei. Man kann nur hoffen, dass die Visionen auch Visionen bleiben.“

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